§ 370 Abgabenordnung (AO) regelt die Steuerhinterziehung. § 370 I AO normiert den Grundtatbestand der Steuerhinterziehung. Abs. 2 regelt die Strafbarkeit im Falle der versuchten Steuerhinterziehung und Abs. 3 umfasst die besonders schweren Fälle der Steuerhinterziehung.
Nach dem Grundtatbestand des § 370 I AO begeht derjenige eine Steuerhinterziehung,
- der gegenüber den Finanzbehörden oder anderen Behörden steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht (Nr. 1),
- die Finanzbehörde pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt (Nr. 2) oder
- pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt (Nr. 3)
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Den Grundtatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht der Täter, wenn er eine der in § 370 I Nr. 1-3 AO enthaltene Tathandlung begeht und einen Taterfolg in Form der Steuerverkürzung oder der Erlangung ungerechtfertigter Steuervorteile nach § 370 I, IV 1, 2 AO erzielt.
Die Tathandlungen der Steuerhinterziehung können durch aktives Tun oder durch pflichtwidriges Unterlassen begangen werden. Die erste Tathandlung umfasst das Machen von unrichtigen und unvollständigen Angaben über steuerlich erheblich Tatsachen gegenüber den Finanz- oder anderen Behörden. Angaben macht der Steuerpflichtige dann, wenn er durch ausdrückliches oder schlüssiges Verhalten etwas bekundet. Diese Angaben müssen sich auf Tatsachen beziehen. Tatsachen sind dem Beweis zugängliche Umstände der realen Welt, das heißt alle konkreten vergangenen oder gegenwärtigen Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt und des Innenlebens. Erforderlich ist, dass sich die Angaben auf steuerlich erhebliche Tatsachen erstrecken müssen. Tatsachen sind dann steuererheblich, wenn sie zur Ausfüllung eines Besteuerungstatbestandes herangezogen werden müssen. Die Tatsachenangaben sind dann unrichtig bzw. unvollständig, wenn die Erklärung nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Von der Unvollständigkeit ist auch die sachlich begründete konkludente Behauptung der Vollständigkeit umfasst. Finanzbehörde im Sinne dieser Tathandlung sind die in § 6 II AO aufgezählten Behörden. Andere Behörden sind Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen, zum Beispiel fallen unter diese Alternative auch das Gericht gem. § 11 I Nr. 7 StGB. Die zweite Tathandlung umfasst das pflichtwidrige in Unkenntnis lassen der Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen. Für steuerlich erhebliche Tatsachen und Finanzbehörden im Sinne des § 370 I Nr. 2 AO gilt entsprechend das der ersten Tathandlung, § 370 I Nr. 1 AO. Unkenntnis der Finanzbehörde liegt dann vor, wenn der Finanzbehörde die für das Besteuerungsverfahren erforderlichen Informationen fehlen. Es ist dabei ausreichend, dass der Finanzbehörde nur Teile des steuerpflichtigen Vorgangs nicht bekannt sind. Das Unterlassen des Erklärungspflichtigen meint, die Nichtvornahme einer möglichen Handlung zur Aufklärung des steuerlich erheblichen Sachverhalts, trotz Handlungsmöglichkeit des Täters und Zumutbarkeit des Handelns. Pflichtwidrig handelt der Täter dann, wenn er eine Rechtspflicht zur Offenbarung steuerlich erheblicher Tatsachen verletzt. Diese Pflichten ergeben sich aus den allgemeinen Vorschriften der Abgabenordnung und/oder den Einzelsteuergesetzen. Als Anwendungsfall der dritten Tathandlung der Steuerhinterziehung durch die unterlassene Verwendung von Steuerzeichen ist lediglich die Verwendung von Tabaksteuerzeichen nach dem Tabaksteuergesetz (TabStG) geblieben.
Unter Taterfolg ist die Steuerverkürzung oder die Erlangung ungerechtfertigter Steuervorteile zu verstehen. Eine Steuerverkürzung liegt immer dann vor, wenn die Steuern nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden. Steuervorteile sind nicht gerechtfertigt erlangt, wenn sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden.
Es ist weiterhin erforderlich, dass zwischen Tathandlung und Taterfolg ein Kausalzusammenhang besteht. Kausalität liegt dann vor, wenn der Erfolg ohne Hinwegdenken des Tatverhaltens nicht eingetreten wäre.
Zudem muss der Täter mit Vorsatz, § 15 StGB handeln. Nach § 15 StGB kann auch fahrlässiges Handeln mit Strafe bedroht werden, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorschreibt. Im Rahmen der Steuerhinterziehung gibt es jedoch keine fahrlässige Strafbarkeit. Der Täter muss somit entweder mit Absicht, direktem Vorsatz oder Eventualvorsatz gehandelt haben.
Ferner muss der Täter rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben.
Die Begehung einer Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen unterscheidet sich von dem Grundtatbestand durch eine höhere Strafandrohung. Diese besonders schweren Fälle gelten als Strafzumessungsvorschriften und nicht als qualifizierter Tatbestand. Besonders schwere Fälle können vorliegen, wenn die Steuerverkürzung bzw. die Erlangung ungerechtfertigter Steuervorteile in großem Ausmaß gegeben ist, der Missbrauch der Befugnisse oder der Stellung eines Amtsträgers, die Ausnutzung der Mithilfe eines Amtsträgers, der seine Befugnisse oder Stellung missbraucht, die fortgesetzte Steuerverkürzung bzw. die Erlangung ungerechtfertigter Steuervorteile unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege, die fortgesetzte Umsatz- oder Verbrauchersteuerverkürzung bzw. die Erlangung ungerechtfertigter Steuervorteile als Mitglied einer Bande oder die Nutzung einer Drittstaat-Gesellschaft zur Verschleierung vorliegt.